Dienstag, 17. Juni 2008
Aisthesis (gr. aísthesis: sinnliche Wahrnehmung)
Wo ist es „schön“? Was macht die Schönheit eines Ortes aus?



Im Untersuchungsgebiet gibt es viele Orte, die mir gefallen (siehe Bilder von ‚Sensationen’). Als Beispiel würde ich die Gegend am Wildbach zwischen Tuchwerk und Springparcours anführen. Dort plätschert der Bach, neu gepflanzte Bäume bilden einen Kontrast zu den Baumstümpfen der gefällten Pappeln, man kann bis hinauf zum Lousberg schauen und auch in der anderen Richtung vermittelt die Aussicht ein Gefühl von Weite.
Wenn ich hier am Schreibtisch über meine Beschreibung der Gegend nachdenke, klingt es fast wie ein Ausschnitt aus einem Lehrbuch über extrem unspektakuläre Orte, die man klischeehaft als schön bezeichnet. Hat mir diese Bilderbuch-Idylle wirklich gut gefallen? Und muss mir das als moderner, betont individueller Mensch jetzt unangenehm sein? Im Nachhinein wirkt es auf mich, als wäre mir dieses Empfinden von Schönheit irgendwie aufgedrückt worden und als würde jeder Mensch diesen Ort, unabhängig von Geschmack und Persönlichkeit, als schön empfinden. Gibt es so etwas? Einen Ort, den jeder Mensch schön findet?

Auch in den Feldern zwischen Kohlscheid Bank und Pannesheide fand ich es schön. Hier konnte man zum Teil nur Felder und den Weg zwischen den Feldern sehen und das Gefühl haben, man sei allein auf der Welt. Dass ich dieses Gefühl als schön gewertet habe, hat aber sicher damit zu tun, dass ich normalerweise nicht allein bin. Ganz im Gegenteil, ich bin ständig von Menschen umgeben, sodass ich Einsamkeit in Maßen als etwas Besonderes genießen kann.

Auf der Halde Wilsberg ist es ebenfalls sehr imposant. Ich glaube, der Aspekt, den man dort am intensivsten wahrnimmt, ist der Perspektivenwechsel. Im Alltag sieht man (als Stadtbewohner) meist nur bis zum Ende einer Straße oder eines Platzes. Wenn man sich dann auf die Halde begibt, kann man plötzlich so weit in die Landschaft sehen, wie man es eher selten erlebt. Und dies empfindet man dann als schön. Außerdem hat man sich diese Aussicht verdient, denn der Weg zum „Gipfel“ der Halde ist schon recht steil. Und so steht man oben auf der Halde und genießt verdientermaßen die Aussicht als Belohnung.


Wo ist es hässlich?

Ob man einen Ort als hässlich betrachtet, hängt meiner Meinung nach sehr stark mit der eigenen Verfassung zusammen.
Als ich einmal, von den Mücken genervt, zwischen den beiden Teichen herging, in die der Wildbach fließt, und dann an der Geschäftsstelle der Alemannia Aachen ankam, fand ich den langweilig grau gepflasterten Parkplatz, auf dem ich nun stand, sehr hässlich. Auch die großen Alemannia-Schilder erschienen mir sehr unpassend und so war dieser Ort in meiner Erinnerung nicht gerade als schön abgespeichert.
Als ich jedoch an einem anderen Tag bei Sonnenschein und guter Laune von der Seite des Sonnenwegs an die gleiche Stelle kam, gefiel mir der offensichtlich vormals industriell genutzte Backsteinbau der Geschäftsstelle der Alemannia recht gut und ich hätte diesen Ort nicht als hässlich bezeichnet. Der Parkplatz und die Werbe-Schilder störten mich auf einmal gar nicht mehr, obwohl der Ort an sich unverändert war.
Wenn man euphorisch gestimmt ist und Pläne für den Tag gemacht hat, kann einem der Blick aus dem Fenster gar nicht gefallen, wenn es plötzlich anfängt zu regnen. Man nimmt den Ausblick als hässlich und trist wahr und lässt lieber die Rollladen herunter. Wenn man sich jedoch ohnehin in einer nachdenklichen und vielleicht sogar traurigen Stimmung befindet, kann man an dem selben Ausblick Gefallen finden, da er der eigenen Gefühlslage entspricht.
Daher denke ich, es ist dort hässlich, wo die Umwelt nicht mein inneres Empfinden widerspiegelt.


Gibt es Schönheit im Hässlichen?

Das ist eine schwierige Frage. Denn sobald man einen hässlichen Ort (in der entsprechenden Stimmung) z.B. aufgrund seiner Trostlosigkeit schön findet, ist er nicht mehr hässlich.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob es wirklich keine Orte gibt, die immer hässlich sind. Hierbei denke ich an Kriegsschauplätze oder Katastrophengebiete. Orte, die an Elend und Leid Unschuldiger denken lassen und die als schön zu bezeichnen nahezu menschenverachtend wäre. Doch wenn ich mir ein zerstörtes Haus im Morgengrauen vorstelle (durch die leeren Fensterhöhlen dringen die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages…) könnte ich mir (durch die erstaunlich gut funktionierende Verdrängungsfähigkeit des Menschen, die es ermöglicht, alles Störende auszublenden) selbst in diesem Szenario eine traurige Schönheit vorstellen.
Für die Empfindung eines Ortes als schön oder hässlich ist es meiner Meinung nach auch sehr wichtig, wie die Lichtverhältnisse sind. Etwas „in einem anderen Licht sehen“ ist nicht von ungefähr ein oft gebrauchtes Sprichwort.
Kann man also überhaupt etwas als absolut hässlich bezeichnen?
Denn wenn man in der richtigen Stimmung ist und mittels der richtigen Perspektive einiges ausblendet, findet man es vielleicht schön. In diesem Fall könnte es nur temporäre Hässlichkeit geben und man müsste das Wort „hässlich“ abschaffen oder anders begreifen. Oder durch „subjektiv temporär unpassendes Erscheinungsbild“ ersetzen.
Das klingt aber einfach nicht gut.


Nimm Freunde mit in das Untersuchungsgebiet und diskutiert über euer Verständnis von Schönheit!



Leider habe ich meine Freunde in Aachen stets zum falschen Zeitpunkt gefragt, ob sie mit mir einen Ausflug in die Soers machen wollten, es war immer etwas Dringendes zu tun, sodass ich nun die Aufgabe etwas umgewandelt habe.
Zu Hause habe ich meinen Eltern das Untersuchungsgebiet so gut wie möglich mit Hilfe meiner Photos und dieses Blogs nahe gebracht und mit ihnen über Schönheit gesprochen.
Zunächst habe ich nach einer Beschreibung eines schönen Ortes gefragt.
Meine Mutter stellte daraufhin ein paar Bedingungen auf, die ein schöner Ort für sie erfüllen sollte: er sollte keine Hektik verbreiten (z.B. von rasenden Autos), begrünt, nicht zu laut und gerne auch durch Tiere und ein paar Fußgänger bevölkert sein.
Als nicht schön empfindet meine Mutter „Steinwüsten“ oder Orte wie den Regenwald, die rein gar nichts mit dem zu tun haben, was man als europäischer Stadtmensch zu sehen gewohnt ist.
Im Ganzen sollte ein schöner Ort also keine Extreme beinhalten und den Seh-Gewohnheiten entgegenkommen.
Als Beispiel eines schönen gebauten Ortes nannte meine Mutter eine Kirche, in der sie den ganzen Nachmittag zugebracht hatte. Als schön hatte sie dort die Veränderung des Lichts erlebt, welche eine besondere Atmosphäre erzeugt hatte,
Beim Thema Kirchen waren sich meine Eltern einig, dass die Innendekoration nicht so überladen sein sollte, wie sie es in Barockkirchen typischerweise ist.
Mein Vater sagte spontan, jeder Ort, wo eine Theke ist, sei schön.
Dann hat er sich aber auch zu ernsthaften Äußerungen hinreißen lassen.
Als Beispiel für einen von Menschen geprägten, schönen Raum nannte mein Vater eine finstere, laute Jazzkneipe in Berlin. Dort war es nicht gerade sauber und es standen alte, duchgesessene Sofas herum. Doch die Musik von der Jazzkappelle und die Gesellschaft waren gut, sodass meinem Vater der Ort als schöne Erinnerung im Gedächtnis blieb.
Als weiteres Beispiel beschrieb mein Vater einen leeren Strand im Herbst oder Frühjahr, an den hohe Wellen branden und den man allein oder zu zweit entlanggeht.
Hierbei erschien ihm der Gegensatz zwischen dem Erleben der tosenden Wellen (Ohnmacht gegenüber der Gewalt der Natur) und des weiten Strandes, auf dem man sich als Mensch allein und als absoluter Mittelpunkt fühlt, reizvoll.

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Was würdet Ihr sagen?
Die Fragen sind es wert, mal an alle gerichtet zu werden:

_Wie würdet Ihr einen "schönen" Ort beschreiben?
_Welchen Ort würden Eure Eltern "schön" finden?
_Welches ist der "schönste Ort" der Soers?

Wir sind (auch auf kurze Antworten) gespannt!
Viele Grüße, Florian & Ulrich

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"Schön"
1.Ein Ort ist schön, wenn er etwas besonderes aufweist,was andere Orte nicht haben... z.B Berge & Schnee oder Meer, Küste und Strand.

2. Mein Bruder sagt: Strand mit Urwald und Hängematte!

3. VIP-Zelt beim Chio oder das Gefängnis :-)

Gruß Dennis

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Ein schöner Ort ist...
1. ... ein Ort an dem ich mich gerne aufhalte, der mich sofort anspricht. Egal, ob in der Natur etwa durch eine hübsche Pflanzenwelt und Ruhe oder mitten in der Stadt im Lärm und in netter Umgebung - die Atmosphäre muss einfach stimmen.

2. ... für meine Mutter ein Ort, an dem sie ungestört abschalten kann - sie ist generell mehr der Typ etwa für Reisen in die Berge oder auch zu Hause für ruhigere Orte.
... für meinen Vater jeder Ort, wenn er nur nicht an die Arbeit denken muss und ungestört seine Musik hören kann bzw. ein Ort, der ihn durch viel Entdeckenswertes (seltsames Wort - ich denke ihr wisst aber was ich meine) aus dem Alltag holen kann.
... für meine Schwester eindeutig Berlin. Ich glaube, für sie gibt es nichts schöneres in jeder Hinsicht.

3. Puh, schwierig zu sagen, aber ich denke mal ich würde sagen: der Weiher hinter dem Tuchwerk. Den fand ich von Anfang an sehr schön, alles ist da so ruhig obwohl es fast direkt an der Straße liegt und die Reiher, die wir schon öfter dort angetroffen haben, runden das Bild noch ab. Ich bin in jedem Falle neidisch auf diejenigen Anwohner, die den Weiher ihr Eigen nennen dürfen...

Liebe Grüße und einen schönen Abend,
Carina

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Schön muss für mich meistens nichts mit den Augen zu tun haben
1. ein schöner Ort ist bei mir ein an Emotionen gebundener Ort an dem man viel erlebt hat.
Er muss dann nicht unbedingt mit positiven oder negativen Erlebnissen zu tun haben sonder kann auch durchaus aus beiden gemischt sein.

z.B. manche oft besuchten Vorlesungssäle fange ich nach einer Zeit an zu vermissen wenn ich dort lange keine Veranstaltung mehr hatte ;)

Oder immer wenn ich eine Schule verlassen habe (Ich hasste Schulen eg) habe ich am letzten Tag angefangen zu weinen ...

Oder Bspw. Gräber, empfinde ich nicht als einen schönen Ort trotzdem besucht man sie um sie zu schmücken und an (schönen) Erinnerungen festzuhalten.

Auf die Soers bezogen muss ich sagen, dass ich Orte am "schönsten" (interessantesten) finde in denen sich Geschichte wiederfindet, weil mir dann immer bewusst wird wie relativ Zeit ist und dass ich nur ein winziger Teil von ihr bin.

2. Meine Eltern fanden es auf dem Lousberg (oben drauf am Temporären Garten 17) am schönsten und in der Kaffee Ecke ;) darüber hinaus, fahren sie einmal im Jahr nach Süd-Frankreich, seit 30 Jahren in die selbe Stadt, selber Camping-Platz. Diesen Ort finden sie wohl auch sehr schön. Vielleicht kann man auch sagen sie sind ihm ein bisschen verfallen.

3. der schönste Ort der Soers: ganz eindeutig klar: das Josefshaus und das Land drum herum mit dem Kloster und dem Buchenwald.
Viel Geschichte, viel Gegenwart, viel zu sehen und anscheinend niemals fertig ausgeforscht :)

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Schön durch Gefühle
Um mich meinem Vorredner anzuschließen: Ich sehe das genau so. Ein Ort ist für mich immer genau dann schön, wenn er mit Emotionen verknüpft ist. Das muss nicht unbedingt dadurch geschehen, dass man dort viel erlebt hat. Es gibt Orte, an denen bin ich nur einmal gewesen, aber sie haben viele verschiedene Gefühle in mir ausgelöst, dadurch habe ich sie für mich als schön empfunden. Um auf Dein Beispiel sprechen zu kommen: Stimmt, Gräber sind generell keine schönen Orte. Aber ich finde, nur so lang man keinen Bezug zu ihnen hat. Steht man vor dem Grab eines völlig Fremden, verknüpft man das meist mit negativen Gefühlen, denkt an die Trauer oder wie er gestorben ist und wie es seiner Familie wohl geht. Das Grab meiner Großeltern hingegen ist für mich ein wunderschöner Ort und ich halte mich sehr, sehr gern und häufig dort auf. Dies liegt wiederum an den ganzen Erinnerungen, die damit verknüpft sind, denn irgendwann blendet man die Zeit der Trauer ganz aus und erinnert sich nur an die schönen Momente.

Für meine Eltern befinden sich schöne Orte meist in der Natur. Meine Mutter definiert einen schönen Ort vor allem durch Ruhe und Entspannung. Am schönsten sind Orte, an denen sie auf einer Bank in der Sonne sitzen und eine schöne Aussicht genießen kann.

Für mich persönlich sind manche Teile des Wildbachs besonders schön, gerade die, die nicht gleich an den Spazierwegen liegen. Ich finde, der Bach strahlt dort eine wunderbare Ruhe aus und das leise Plätschern entspannt. Man kann dort sehr schön sitzen und nachdenken, lesen oder einfach einmal nichts tun :)

Liene Grüße,
Jenny

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Danke für die schnellen Kommentare, das waren schon einige "schöne" Beiträge, die Anlass zum nach- und weiterdenken geben.
Viele Grüße, Florian & Ulrich

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Zuerst einmal wann ist ein Ort schön und wann ist er es nicht?
Dies hängt sicherlich (wie auch schon von mehreren beschrieben) davon ab in welcher Stimmung man ist und wie die "äußeren" Bedingungen sind (schlechtes Wetter zum Beispiel). Wobei die Wahrnehmung der äußeren Eindrücke auch in einem Bezug zur Stimmung steht. Ist man gut gelaunt kann ein Ort auch bei schlechtem Wetter als schön empfunden werden. Beispielhaft wäre hier das Wohnhaus hinter der Tuchfabrik oder das Wohnhaus hinter dem Kloster zu nennen. Als wir gut gelaunt und bei schönem Wetter dort vorbei gekommen sind haben wir jedes mal gesagt das dies ja ein optimaler Wohnort sei. Bei schlechtem Wetter ist uns dies jedoch nicht so aufgefallen bzw. haben wir den Ort nicht als so schön empfunden. Bei schlechten Windbedingungen und damit verbunden, die deutlich stärkere Wahrnehmung der Autobahn wurde dieser Ort sogar als unangenehm und störend empfunden.

Dies zeigt das es eigentlich kaum einen Ort gibt der immer schön oder hässlich ist. Es kommt immer auf die Bedingungen an.
Als schönen Ort könnte man einen Ort bezeichnen an dem die Summe der positiven Eindrücke den der negativen Eindrücke überwiegt.

Für uns ist die Lousbergterrasse ein optimales Beispiel. Bei guten Bedingung findet man hier einen schönen Ort zum verweilen vor. Bei schlechten Bedingungen findet man diesen ort jedoch nicht schön. Da bei unseren Beobachtungen die positiven Eindrücke jedoch überwogen haben, haben wir diesen Ort als einen schönen Ort in Erinnerung.

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