Donnerstag, 10. Juli 2008
ABSCHLUSSSTATEMENT
kueppers_wang_koenigs, 17:44h
Damit man das Abschlussstatement übersichtlicher lesen kann, hier auch als PDF:
abschlussstatement (pdf, 424 KB)
Wahrnehmung von Stadt und Landschaft
Räumliche und soziale Zusammenhänge der Stadt
Wir haben in dieser Veranstaltung eine Reihe sehr wichtiger Erkenntnisse gewonnen.
Es war sehr eindrucksvoll die Besonderheiten des Soerstals als Kulturlandschaft zu erfassen: die historisch entstandenen Formen der Agrarlandschaft wie Wiesen, Weiden, Äcker, sowie vorhandene Hecken und Hohlwege.
Die Interpretation einer durch Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft war spannend für uns:
- Schon an der Bauweise sind die heutigen Höfe als historische Gebäudekomplexe zu erkennen.
- Die ungeraden Baumreihen bzw. „Expappeln“ weisen auf den Flusslauf des Wildbaches hin.
- Bäume , die stellenweise in Reih und Glied stehen wurden von Menschen so gepflanzt.
- Das Brückenhindernis als “Neuling“ auf der Wiese gibt Hinweise auf den Funktionswandel dieser Landschaft.
Genauso wichtig war natürlich die Erkenntnis, dass diese Landschaft für die Stadt Aachen nicht nur die Funktion einer „grünen Lunge“ übernimmt (Soerstal ist Kaltluftsammelbecken, das das Aachener Stadtklima als Frischluftreservoir beeinflusst) , sondern dass es auch darum geht, den Kontakt der Stadtbevölkerung mit dieser sie so nah umgebenden Landschaft zu erhalten. Dieser unmittelbare Bezug schließt die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Stadt-Landschaft mit ein, ebenso wie deren Akzeptanz, welche vom Naturbewusstsein der Stadtbevölkerung abhängig ist.
Diese Kulturlandschaft Soers hat somit viele Funktionen:
- Ökologische Funktion: Sie ist Lebensraum für einheimische Tierarten (z.B. Eisvogel, Steinkauze...). wichtiger Biotop und beeinflusst das Stadtklima.
- Biologische Funktion: Das Soerstal ist Naherholungsgebiet, Bewegung an frischer Luft ist ein gesundheitserhaltendes Grundbedürfnis.
- Psychische Funktion: Das Naturerleben, das Wahrnehmen der Landschaftsästhetik ist gerade in der heutigen schnelllebigen und von Medien geprägten Zeit sehr wichtig.
- Symbolische Funktion: Die Stadtlandschaft Soers spiegelt einen bestimmten Lebensstil wieder und fungiert auch als Statussymbol ( CHIO, Pferdelandpark, Weißer Weg, Temporäre Gärten).
- Pädagogische Funktion: Die Beschäftigung mit dieser Landschaft fördert das Umweltbewusstsein und die Erkenntnis, dass die Nachhaltigkeit für die Entwicklung und Planung von Bedeutung ist. Der Mensch erlebt sich als Landschaftsgestalter.
Die Auflistung verdeutlicht wie komplex und vielschichtig das Thema Stadt-Landschaft ist, zumal neben ökologischen und sozialwissenschaftlichen Faktoren auch noch weitere politische oder wirtschaftliche (ALRV-Gelände, Bau des neuen Tivoli, Parkplätze,…) hinzukommen.
Fazit: Der Versuch einer ganzheitlichen Betrachtung von Stadt-Landschaft war arbeitintensiv, doch hatte dieses Thema einen erstaunlichen Motivationscharakter. Wir haben zu Beginn der Veranstaltung nicht gedacht, dass die Beschäftigung mit Stadt-Landschaften so viele Ergebnisse bringen und so viel Spaß machen würde, was auch auf die Vielzahl interessanter Untersuchungsmethoden zurückzuführen ist.
Wir haben im Verlauf der letzten Wochen einen offeneren Bezug zu Stadt-Landschaften gewonnen und diese aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen. Der Transfer auf andere Landschaften wird in Zukunft möglich sein und uns neue Perspektiven eröffnen.
So haben wir einen neuen wichtigen Erlebnisbereich, - im Sinne von Wahrnehmung-, gewonnen.
Themen und Anlässe zum Agieren und Intervenieren
Jeder Raum ist geprägt vom Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungen.
Wir hatten uns die Brücke und die sie umgebende Weidelandschaft als Untersuchungsobjekt ausgesucht und waren erstaunt mit welchen Raumnutzungskonflikten wir damit konfrontiert wurden. Wir haben am Beispiel Soerstal gesehen, dass unterschiedliche Akteure unterschiedliche Ansprüche an einen Raum haben, sie treten um verschiedene Formen der Flächennutzung in Konkurrenz. Häufig spielt auch die Ambition einer Imageverbesserung der Stadt eine wichtige Rolle.
Wir stellten uns die Frage, wer nun Einfluss darauf nimmt und letztlich entscheidet ob z.B. in der Soers neue Wohngebiete entstehen dürfen oder ob die Wiesen für die pferdesportlichen Aktivitäten genutzt werden dürfen.
Wir haben eindrucksvoll erfahren, dass man hier in Aachen bestrebt ist, Nutzungskonflikte zu vermeiden und einen Ausgleich verschiedener Interessen zu erzielen.
( z.B. durch Ausgleichsmaßnahmen des ALRV)
Es sind nicht nur auf Länderebene, sonder auch auf der regionalen Ebene Vorstellungen und Planungen über die angestrebte Raumordnung formuliert. Wir haben erlebt (Teilnahme am Treffen der Aachen-Laurensberger Bezirkvertretung zur Ortsbegehung zur Flächennutzung der Geländestrecke im Soerstal) dass die verschiedenen Interessensgruppen im Gespräch sind.
Die betrachtete Kulturlandschaft der Soers stellt einen Spiegel der Gesellschaft dar, d.h. sie wird der Funktion, die sie für die Gesellschaft erfüllen soll angepasst. Jede dieser Funktionen hinterlässt im Angesicht der Landschaft, bildlich gesehen, Spuren: das Brückenhindernis, der Weiße Weg oder auch die Temporären Gärten.
Wenn wir es nicht dem Zufall überlassen wollen, in welcher Kulturlandschaft wir künftig leben wollen, dann müssen wir uns fragen, welche Kulturlandschaft wir lebenswert und schön finden und wir müssen selbst aktiv werden.
In diesem Zusammenhang ist auch die Bedeutung des “Soerser Forums“ zu sehen. Das “Soerser Forum“ ist ein Zusammenschluss Aachener Bürger, der darum bemüht ist, das ökologische Gleichgewicht dieses Landschaftsschutzgebietes zu erhalten und es vor weiterer Bebauung (Wohnanlagen und Sportstätten) und zweckentfremdeter Nutzung zu schützen.
Fazit: Die Beschäftigung mit diesen Interessenskonflikten hat uns sensibilisiert uns einzubringen in lokale Politik und gemeinsam zu versuchen, Konflikte abzuschwächen um ein soziales, ökologisches und ökonomisches nachhaltiges Zusammenleben zu ermöglichen.
Neue Zugänge zu Stadt und Landschaft
Wir haben mehr Zeit in der Natur verbracht als sonst und neue Eindrücke und Erfahrungen mit bzw. in der Natur haben uns überrascht.
Bisher hatten wir eher den naturwissenschaftlichen Zugang zu einer Landschaft, der geprägt war vom objektiven Betrachten und Erklären und wobei das Subjekt eher ausgeblendet wurde.
Es war eine wichtige und schöne Erfahrung festzustellen, dass man nicht nur der Landschaft gegenübersteht, sondern eben auch Teil dieser Landschaft ist und sie mit gestalten kann.
Gewissermaßen als Gegenpol zu diesem objektiveren Zugang zu einer Landschaft erscheint uns das subjektive, gefühlte Erleben (z.B. Wahrnehmung von Landschaft bei guter und schlechter Laune) oder auch die künstlerische Annäherung (z.B. selbst gemaltes Bild von der Brücke, die Temporären Gärten).
Die belebte Natur war seit alter Zeit Gegenstand nahezu aller Künste (Bildhauerei, Malerei an Höhlenwänden,…)
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein gemaltes Rasenstück in mikroskopischer Nahsicht. Wer hat nicht schon einmal aus der Froschperspektive Ähnliches gesehen oder sogar mit dem Fotoapparat festgehalten? Wir haben im Rahmen dieser Veranstaltung solche Bilder von verschiedenen Gruppen gesehen.
Albrecht Dürer (1471-1528) machte aus einem derartigen Naturstück ein Kunststück:
Das große Rasenstück (1503)
Auch die poetische Annäherung an Landschaft ist hier unbedingt zu erwähnen. Wir präsentierten euch das Goethegedicht “Landschaft“. In “Goethes Werther“ wird das Landschaftsbild zum Spiegel der Seele.
Interessant war auch der philosophische Exkurs zum Thema Faszination Brücke (17.07.08)
Methoden zur Bestandsbetrachtung, -aufnahme und -analyse
Die mit diesem Pfadfinder-Projekt verbundene Methodik hat uns besonders gut gefallen, denn sie war neuartig und abwechslungsreich. Sie ist es deshalb wert explizit erwähnt zu werden.
Dabei unterscheiden wir zwischen den von uns ausgewählten Methoden um unser Untersuchungsobjekt bzw. -gebiet genau zu präsentieren und der Methode, d.h. der Vorgehensweise des Entwurfs Wegbereiter.
Die Frage war, wie wir uns von unserem Untersuchungsobjekt ein umfangreiches Bild machen können, welches möglichst viele Aspekte beleuchtet und mit der wir dieser Landschaft mit dem Brückenhindernis gerecht werden.
Hier unser Methodenrepertoire:
- Mit Fotos dokumentierten wir immer wieder eindrucksvoll eigene Vorstellungen. Mit ihnen stand gezielt unsere eigene Perspektive im Vordergrund. Sie gaben uns die Möglichkeit Stimmungen und Atmosphäre zu transportieren.
- Karten und Satellitenaufnahmen beschrieben den geographischen Aspekt unserer Arbeit.
- Bei den Passantenbefragungen und Gesprächen (z.B. Gartengespräche mit Künstlern)
wurden uns interessante Anschauungen und Informationen vermittelt.
- Die gezielt geplanten Interviews ermöglichten uns ebenfalls einen Perspektivenwechsel.
- Durch die (arbeitintensive) Zeitungsartikelrecherche der letzten 3 Jahre (Übersicht der Schlagzeilen vom 17.Juni) konnten wir besonders gut die Interessenskonflikte im Soerstal beleuchten.
- Die aktuellen Zeitungsmeldungen ( Weißer Weg, Temporäre Gärten, Pferdelandpark, CHIO) vervollständigten das Bild.
- Die Zeichnung der Brücke brachte uns das Untersuchungsobjekt stimmungsvoll künstlerisch nahe.
- Die Schilderung von subjektiver Wahrnehmungen der Landschaft in verschiedenen Situationen übermittelte den anderen Gruppen Stimmungen und Gefühle.
- Das Rollenspiel als Präsentation war zwar in der Erstellung sehr arbeits- und zeitintensiv, da die gezielt vorgefertigten Dialoginhalte konkrete Aussagen und Fakten sowohl aus der Zeitungsartikelrecherche als auch aus Gesprächen und eigenen Beobachtungen enthielten, doch hat es viel Spaß gemacht. Der Echtheitscharakter der Situation in der Soers kam gut zum Ausdruck.
Fazit: Es sind uns interessante Inhalte vermittelt worden und unsere Methodenkompetenz wurde geschult.
Das Projekt Wegbereiter zeichnete sich aus durch eine organisatorische und zeitliche Intensität, die von uns relativ flexibel gestaltbar war.
Das arbeitsteilige Vorgehen in Kleingruppen (wir sind nur zu Zweit) hatte einen besonderen Reiz. Wir entwickelten großes Interesse die Ergebnisse der anderen Gruppen kennen zulernen und sich darüber auszutauschen.
Die Online-Kommunikation war sehr interessant, so hatte man Gelegenheit Artikel zu schreiben und den anderen realistisch objektiv oder stimmungsvoll klar zu machen, was man wahrgenommen hat.
Die Präsentation der Ergebnisse am Tag der Stadt-Landschaftsreise am Ende der Veranstaltung war ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Sie war eine super Idee und hatte einen hohen Motivationswert. Unser Rollenspiel hat uns und ich hoffe auch allen anderen viel Spaß gemacht.
Fazit: Die Konzeption des Entwurfs Wegbereiter hat uns ausgesprochen gut gefallen, denn wir haben mit Freude viel gelernt.
Wahrnehmung, Spaziergangsforschung und
Promenadologie
Die Wahrnehmung der Landschaft ist von vielen Einflussfaktoren abhängig. Diese Veranstaltung hat sensibilisiert für eine differenzierte Wahrnehmung der Landschaft auf unterschiedlichen Ebenen.
Die Wahrnehmung ist eine Art Kernvoraussetzung für das Agieren in diesem Lebensraum Kulturlandschaft, ob ich als Spaziergänger unterwegs bin, ob als Naturforscher, als Landwirt oder Städteplaner. Meine Erfahrungen, meine Interessen, meine Stimmung, meine Ambitionen u.a.m. spielen in die Art der Wahrnehmung unbewusst oder bewusst mit ein. Nehme ich bewusst Landschaft wahr, werde ich gezielt betrachten. Ich kann mein Auge schulen, Details wie Formen und Farbnuancen zu registrieren. Ich kann aber auch bewusst das ganzheitliche Bild betrachten, z.B. Wiesenfläche in der Soers mit Gehöften, Brücke, Pferde, Kühe, Vögel, Wildbach,…und mir so ein Bild von Landschaft machen. Wie ich das Wahrgenommene schließlich empfinde, das ist subjektiv unterschiedlich, was den verbalen oder nonverbalen Austausch über die Wahrnehmung in der Gruppe dann umso spannender macht.
Auf jeden Fall ist es eine Bereicherung, wenn jemand in der Lage ist, diese Wahrnehmung von Landschaft überhaupt zu vollziehen. Die Freizeit vieler, besonders auch junger Menschen, wird von virtuellen Räumen im Internet und im Fernsehen bestimmt. Echtzeit-Übertragungen lassen uns an fast jeden Ort der Welt, an dem es gerade spannend zu sein scheint, live dabei sein. Dadurch wird der nahe gelegene (Stadt- Landschafts-) Raum häufig uninteressant. Umso wichtiger ist es, die (Stadt)Menschen für die sie umgebende Landschaft zu interessieren. Neben Aktivitäten wie Joggen oder Fahrradfahren
(das ist auch schon prima) ist es auch wichtig, sich mal in Ruhe und Gelassenheit auf Landschaft einzulassen.
Naturerleben (bewusst nicht getrennt geschrieben) sollte als ein Erlebnis, evtl. mit allen Sinnen, wahrgenommen werden, denn es hat einen großen Erholungswert für Körper und Seele.
Wo kann ich Landschaft wahrnehmen?
Am 08. Juli 08 las ich in der AZ, dass der Ministerpräsident in den Ferien durch “sein Land“ radelt und schaut, wie es sich verändert.
Als ich wegen eines Seminars eine längere Zeit mit dem Zug fahren musste, schaute ich mir bewusst die Gegend an. Ich fand diese, ich nenne sie mal “schnelle Landschaft“ äußerst interessant, früher habe ich kaum darauf geachtet. Ich fragte mich, wie wohl ein Maler diese Eindrücke in Form und Farbe umsetzen würde.
Auch machte ich mir Gedanken um die Pflanzen entlang der Bahngleise, die eigentlich kaum Beachtung finden, die aber auch sehenswert sind.
Die Veranstaltung hat also schon ihre Spuren in unseren Köpfen hinterlassen, sie wird unsere Wahrnehmung über die Zeit ihrer Dauer hinaus prägen.
Die von dem Soziologen Lucius Burckhard (1925 – 2003) begründete Promenadologie ist eine Wissenschaft, die ihre Berechtigung hat.
Wir haben in dieser Veranstaltung erfahren, dass das Wahrnehmen von Landschaft sozusagen der Ausgangspunkt ist, von dem aus über die Phase der Landschaftsbeschreibung, über das Erklären können das Verstehen der Landschaftsgegebenheiten erreicht wird. Nur über diese Bewusstseinsebenen (d.h. Umweltbewusstsein) kann sich die Handlungsbereitschaft entwickeln.
Es ist schön zu wissen, dass wir auf der Spurensuche anhand des “Wegbereiters“ im Rahmen der Pfadfinder-Veranstaltung diese Sensibilisierung für Landschaftswahrnehmung erfahren durften.
Uns ist die Rolle der (Stadt)Bewohner im Rahmen städteplanerischer Prozesse bewusst geworden und wir finden es sehr gut, dadurch für eigene Partizipationsmöglichkeiten sensibilisiert zu sein.
Viele Grüße Christoph und Jiakun
abschlussstatement (pdf, 424 KB)
Wahrnehmung von Stadt und Landschaft
Räumliche und soziale Zusammenhänge der Stadt
Wir haben in dieser Veranstaltung eine Reihe sehr wichtiger Erkenntnisse gewonnen.
Es war sehr eindrucksvoll die Besonderheiten des Soerstals als Kulturlandschaft zu erfassen: die historisch entstandenen Formen der Agrarlandschaft wie Wiesen, Weiden, Äcker, sowie vorhandene Hecken und Hohlwege.
Die Interpretation einer durch Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft war spannend für uns:
- Schon an der Bauweise sind die heutigen Höfe als historische Gebäudekomplexe zu erkennen.
- Die ungeraden Baumreihen bzw. „Expappeln“ weisen auf den Flusslauf des Wildbaches hin.
- Bäume , die stellenweise in Reih und Glied stehen wurden von Menschen so gepflanzt.
- Das Brückenhindernis als “Neuling“ auf der Wiese gibt Hinweise auf den Funktionswandel dieser Landschaft.
Genauso wichtig war natürlich die Erkenntnis, dass diese Landschaft für die Stadt Aachen nicht nur die Funktion einer „grünen Lunge“ übernimmt (Soerstal ist Kaltluftsammelbecken, das das Aachener Stadtklima als Frischluftreservoir beeinflusst) , sondern dass es auch darum geht, den Kontakt der Stadtbevölkerung mit dieser sie so nah umgebenden Landschaft zu erhalten. Dieser unmittelbare Bezug schließt die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Stadt-Landschaft mit ein, ebenso wie deren Akzeptanz, welche vom Naturbewusstsein der Stadtbevölkerung abhängig ist.
Diese Kulturlandschaft Soers hat somit viele Funktionen:
- Ökologische Funktion: Sie ist Lebensraum für einheimische Tierarten (z.B. Eisvogel, Steinkauze...). wichtiger Biotop und beeinflusst das Stadtklima.
- Biologische Funktion: Das Soerstal ist Naherholungsgebiet, Bewegung an frischer Luft ist ein gesundheitserhaltendes Grundbedürfnis.
- Psychische Funktion: Das Naturerleben, das Wahrnehmen der Landschaftsästhetik ist gerade in der heutigen schnelllebigen und von Medien geprägten Zeit sehr wichtig.
- Symbolische Funktion: Die Stadtlandschaft Soers spiegelt einen bestimmten Lebensstil wieder und fungiert auch als Statussymbol ( CHIO, Pferdelandpark, Weißer Weg, Temporäre Gärten).
- Pädagogische Funktion: Die Beschäftigung mit dieser Landschaft fördert das Umweltbewusstsein und die Erkenntnis, dass die Nachhaltigkeit für die Entwicklung und Planung von Bedeutung ist. Der Mensch erlebt sich als Landschaftsgestalter.
Die Auflistung verdeutlicht wie komplex und vielschichtig das Thema Stadt-Landschaft ist, zumal neben ökologischen und sozialwissenschaftlichen Faktoren auch noch weitere politische oder wirtschaftliche (ALRV-Gelände, Bau des neuen Tivoli, Parkplätze,…) hinzukommen.
Fazit: Der Versuch einer ganzheitlichen Betrachtung von Stadt-Landschaft war arbeitintensiv, doch hatte dieses Thema einen erstaunlichen Motivationscharakter. Wir haben zu Beginn der Veranstaltung nicht gedacht, dass die Beschäftigung mit Stadt-Landschaften so viele Ergebnisse bringen und so viel Spaß machen würde, was auch auf die Vielzahl interessanter Untersuchungsmethoden zurückzuführen ist.
Wir haben im Verlauf der letzten Wochen einen offeneren Bezug zu Stadt-Landschaften gewonnen und diese aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen. Der Transfer auf andere Landschaften wird in Zukunft möglich sein und uns neue Perspektiven eröffnen.
So haben wir einen neuen wichtigen Erlebnisbereich, - im Sinne von Wahrnehmung-, gewonnen.
Themen und Anlässe zum Agieren und Intervenieren
Jeder Raum ist geprägt vom Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungen.
Wir hatten uns die Brücke und die sie umgebende Weidelandschaft als Untersuchungsobjekt ausgesucht und waren erstaunt mit welchen Raumnutzungskonflikten wir damit konfrontiert wurden. Wir haben am Beispiel Soerstal gesehen, dass unterschiedliche Akteure unterschiedliche Ansprüche an einen Raum haben, sie treten um verschiedene Formen der Flächennutzung in Konkurrenz. Häufig spielt auch die Ambition einer Imageverbesserung der Stadt eine wichtige Rolle.
Wir stellten uns die Frage, wer nun Einfluss darauf nimmt und letztlich entscheidet ob z.B. in der Soers neue Wohngebiete entstehen dürfen oder ob die Wiesen für die pferdesportlichen Aktivitäten genutzt werden dürfen.
Wir haben eindrucksvoll erfahren, dass man hier in Aachen bestrebt ist, Nutzungskonflikte zu vermeiden und einen Ausgleich verschiedener Interessen zu erzielen.
( z.B. durch Ausgleichsmaßnahmen des ALRV)
Es sind nicht nur auf Länderebene, sonder auch auf der regionalen Ebene Vorstellungen und Planungen über die angestrebte Raumordnung formuliert. Wir haben erlebt (Teilnahme am Treffen der Aachen-Laurensberger Bezirkvertretung zur Ortsbegehung zur Flächennutzung der Geländestrecke im Soerstal) dass die verschiedenen Interessensgruppen im Gespräch sind.
Die betrachtete Kulturlandschaft der Soers stellt einen Spiegel der Gesellschaft dar, d.h. sie wird der Funktion, die sie für die Gesellschaft erfüllen soll angepasst. Jede dieser Funktionen hinterlässt im Angesicht der Landschaft, bildlich gesehen, Spuren: das Brückenhindernis, der Weiße Weg oder auch die Temporären Gärten.
Wenn wir es nicht dem Zufall überlassen wollen, in welcher Kulturlandschaft wir künftig leben wollen, dann müssen wir uns fragen, welche Kulturlandschaft wir lebenswert und schön finden und wir müssen selbst aktiv werden.
In diesem Zusammenhang ist auch die Bedeutung des “Soerser Forums“ zu sehen. Das “Soerser Forum“ ist ein Zusammenschluss Aachener Bürger, der darum bemüht ist, das ökologische Gleichgewicht dieses Landschaftsschutzgebietes zu erhalten und es vor weiterer Bebauung (Wohnanlagen und Sportstätten) und zweckentfremdeter Nutzung zu schützen.
Fazit: Die Beschäftigung mit diesen Interessenskonflikten hat uns sensibilisiert uns einzubringen in lokale Politik und gemeinsam zu versuchen, Konflikte abzuschwächen um ein soziales, ökologisches und ökonomisches nachhaltiges Zusammenleben zu ermöglichen.
Neue Zugänge zu Stadt und Landschaft
Wir haben mehr Zeit in der Natur verbracht als sonst und neue Eindrücke und Erfahrungen mit bzw. in der Natur haben uns überrascht.
Bisher hatten wir eher den naturwissenschaftlichen Zugang zu einer Landschaft, der geprägt war vom objektiven Betrachten und Erklären und wobei das Subjekt eher ausgeblendet wurde.
Es war eine wichtige und schöne Erfahrung festzustellen, dass man nicht nur der Landschaft gegenübersteht, sondern eben auch Teil dieser Landschaft ist und sie mit gestalten kann.
Gewissermaßen als Gegenpol zu diesem objektiveren Zugang zu einer Landschaft erscheint uns das subjektive, gefühlte Erleben (z.B. Wahrnehmung von Landschaft bei guter und schlechter Laune) oder auch die künstlerische Annäherung (z.B. selbst gemaltes Bild von der Brücke, die Temporären Gärten).
Die belebte Natur war seit alter Zeit Gegenstand nahezu aller Künste (Bildhauerei, Malerei an Höhlenwänden,…)
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein gemaltes Rasenstück in mikroskopischer Nahsicht. Wer hat nicht schon einmal aus der Froschperspektive Ähnliches gesehen oder sogar mit dem Fotoapparat festgehalten? Wir haben im Rahmen dieser Veranstaltung solche Bilder von verschiedenen Gruppen gesehen.
Albrecht Dürer (1471-1528) machte aus einem derartigen Naturstück ein Kunststück:
Das große Rasenstück (1503)
Auch die poetische Annäherung an Landschaft ist hier unbedingt zu erwähnen. Wir präsentierten euch das Goethegedicht “Landschaft“. In “Goethes Werther“ wird das Landschaftsbild zum Spiegel der Seele.
Interessant war auch der philosophische Exkurs zum Thema Faszination Brücke (17.07.08)
Methoden zur Bestandsbetrachtung, -aufnahme und -analyse
Die mit diesem Pfadfinder-Projekt verbundene Methodik hat uns besonders gut gefallen, denn sie war neuartig und abwechslungsreich. Sie ist es deshalb wert explizit erwähnt zu werden.
Dabei unterscheiden wir zwischen den von uns ausgewählten Methoden um unser Untersuchungsobjekt bzw. -gebiet genau zu präsentieren und der Methode, d.h. der Vorgehensweise des Entwurfs Wegbereiter.
Die Frage war, wie wir uns von unserem Untersuchungsobjekt ein umfangreiches Bild machen können, welches möglichst viele Aspekte beleuchtet und mit der wir dieser Landschaft mit dem Brückenhindernis gerecht werden.
Hier unser Methodenrepertoire:
- Mit Fotos dokumentierten wir immer wieder eindrucksvoll eigene Vorstellungen. Mit ihnen stand gezielt unsere eigene Perspektive im Vordergrund. Sie gaben uns die Möglichkeit Stimmungen und Atmosphäre zu transportieren.
- Karten und Satellitenaufnahmen beschrieben den geographischen Aspekt unserer Arbeit.
- Bei den Passantenbefragungen und Gesprächen (z.B. Gartengespräche mit Künstlern)
wurden uns interessante Anschauungen und Informationen vermittelt.
- Die gezielt geplanten Interviews ermöglichten uns ebenfalls einen Perspektivenwechsel.
- Durch die (arbeitintensive) Zeitungsartikelrecherche der letzten 3 Jahre (Übersicht der Schlagzeilen vom 17.Juni) konnten wir besonders gut die Interessenskonflikte im Soerstal beleuchten.
- Die aktuellen Zeitungsmeldungen ( Weißer Weg, Temporäre Gärten, Pferdelandpark, CHIO) vervollständigten das Bild.
- Die Zeichnung der Brücke brachte uns das Untersuchungsobjekt stimmungsvoll künstlerisch nahe.
- Die Schilderung von subjektiver Wahrnehmungen der Landschaft in verschiedenen Situationen übermittelte den anderen Gruppen Stimmungen und Gefühle.
- Das Rollenspiel als Präsentation war zwar in der Erstellung sehr arbeits- und zeitintensiv, da die gezielt vorgefertigten Dialoginhalte konkrete Aussagen und Fakten sowohl aus der Zeitungsartikelrecherche als auch aus Gesprächen und eigenen Beobachtungen enthielten, doch hat es viel Spaß gemacht. Der Echtheitscharakter der Situation in der Soers kam gut zum Ausdruck.
Fazit: Es sind uns interessante Inhalte vermittelt worden und unsere Methodenkompetenz wurde geschult.
Das Projekt Wegbereiter zeichnete sich aus durch eine organisatorische und zeitliche Intensität, die von uns relativ flexibel gestaltbar war.
Das arbeitsteilige Vorgehen in Kleingruppen (wir sind nur zu Zweit) hatte einen besonderen Reiz. Wir entwickelten großes Interesse die Ergebnisse der anderen Gruppen kennen zulernen und sich darüber auszutauschen.
Die Online-Kommunikation war sehr interessant, so hatte man Gelegenheit Artikel zu schreiben und den anderen realistisch objektiv oder stimmungsvoll klar zu machen, was man wahrgenommen hat.
Die Präsentation der Ergebnisse am Tag der Stadt-Landschaftsreise am Ende der Veranstaltung war ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Sie war eine super Idee und hatte einen hohen Motivationswert. Unser Rollenspiel hat uns und ich hoffe auch allen anderen viel Spaß gemacht.
Fazit: Die Konzeption des Entwurfs Wegbereiter hat uns ausgesprochen gut gefallen, denn wir haben mit Freude viel gelernt.
Wahrnehmung, Spaziergangsforschung und
Promenadologie
Die Wahrnehmung der Landschaft ist von vielen Einflussfaktoren abhängig. Diese Veranstaltung hat sensibilisiert für eine differenzierte Wahrnehmung der Landschaft auf unterschiedlichen Ebenen.
Die Wahrnehmung ist eine Art Kernvoraussetzung für das Agieren in diesem Lebensraum Kulturlandschaft, ob ich als Spaziergänger unterwegs bin, ob als Naturforscher, als Landwirt oder Städteplaner. Meine Erfahrungen, meine Interessen, meine Stimmung, meine Ambitionen u.a.m. spielen in die Art der Wahrnehmung unbewusst oder bewusst mit ein. Nehme ich bewusst Landschaft wahr, werde ich gezielt betrachten. Ich kann mein Auge schulen, Details wie Formen und Farbnuancen zu registrieren. Ich kann aber auch bewusst das ganzheitliche Bild betrachten, z.B. Wiesenfläche in der Soers mit Gehöften, Brücke, Pferde, Kühe, Vögel, Wildbach,…und mir so ein Bild von Landschaft machen. Wie ich das Wahrgenommene schließlich empfinde, das ist subjektiv unterschiedlich, was den verbalen oder nonverbalen Austausch über die Wahrnehmung in der Gruppe dann umso spannender macht.
Auf jeden Fall ist es eine Bereicherung, wenn jemand in der Lage ist, diese Wahrnehmung von Landschaft überhaupt zu vollziehen. Die Freizeit vieler, besonders auch junger Menschen, wird von virtuellen Räumen im Internet und im Fernsehen bestimmt. Echtzeit-Übertragungen lassen uns an fast jeden Ort der Welt, an dem es gerade spannend zu sein scheint, live dabei sein. Dadurch wird der nahe gelegene (Stadt- Landschafts-) Raum häufig uninteressant. Umso wichtiger ist es, die (Stadt)Menschen für die sie umgebende Landschaft zu interessieren. Neben Aktivitäten wie Joggen oder Fahrradfahren
(das ist auch schon prima) ist es auch wichtig, sich mal in Ruhe und Gelassenheit auf Landschaft einzulassen.
Naturerleben (bewusst nicht getrennt geschrieben) sollte als ein Erlebnis, evtl. mit allen Sinnen, wahrgenommen werden, denn es hat einen großen Erholungswert für Körper und Seele.
Wo kann ich Landschaft wahrnehmen?
Am 08. Juli 08 las ich in der AZ, dass der Ministerpräsident in den Ferien durch “sein Land“ radelt und schaut, wie es sich verändert.
Als ich wegen eines Seminars eine längere Zeit mit dem Zug fahren musste, schaute ich mir bewusst die Gegend an. Ich fand diese, ich nenne sie mal “schnelle Landschaft“ äußerst interessant, früher habe ich kaum darauf geachtet. Ich fragte mich, wie wohl ein Maler diese Eindrücke in Form und Farbe umsetzen würde.
Auch machte ich mir Gedanken um die Pflanzen entlang der Bahngleise, die eigentlich kaum Beachtung finden, die aber auch sehenswert sind.
Die Veranstaltung hat also schon ihre Spuren in unseren Köpfen hinterlassen, sie wird unsere Wahrnehmung über die Zeit ihrer Dauer hinaus prägen.
Die von dem Soziologen Lucius Burckhard (1925 – 2003) begründete Promenadologie ist eine Wissenschaft, die ihre Berechtigung hat.
Wir haben in dieser Veranstaltung erfahren, dass das Wahrnehmen von Landschaft sozusagen der Ausgangspunkt ist, von dem aus über die Phase der Landschaftsbeschreibung, über das Erklären können das Verstehen der Landschaftsgegebenheiten erreicht wird. Nur über diese Bewusstseinsebenen (d.h. Umweltbewusstsein) kann sich die Handlungsbereitschaft entwickeln.
Es ist schön zu wissen, dass wir auf der Spurensuche anhand des “Wegbereiters“ im Rahmen der Pfadfinder-Veranstaltung diese Sensibilisierung für Landschaftswahrnehmung erfahren durften.
Uns ist die Rolle der (Stadt)Bewohner im Rahmen städteplanerischer Prozesse bewusst geworden und wir finden es sehr gut, dadurch für eigene Partizipationsmöglichkeiten sensibilisiert zu sein.
Viele Grüße Christoph und Jiakun
... comment